Verkauf der Villa Kolbe
für 1 € an die Stadt
Beschlusstext vom 22.5.2024:
Der Stadtrat beschließt, das Grundstück Zinzendorfstraße 16 in 01445 Radebeul, Flurstück 481 der Gemarkung Radebeul, mit seinen aufstehenden Gebäuden („Villa Kolbe“ mit Einfriedung sowie Nebengebäude ehemaliges Kutscherhaus) und den Villengarten (Anlage 1 – Lageplan) zum Preis von 1,– Euro von den Eigentümern schulden- und lastenfrei zu erwerben.
Der Oberbürgermeister wird angewiesen, alle für die Umsetzung des Beschlusses notwendigen Schritte zu unternehmen.
Der Stadtrat nimmt zur Kenntnis, dass die Stadt beabsichtigt mit eigenem Geld, ggf. unterstützt mit Denkmalfördermitteln, dass Objekt schrittweise zu sichern und damit im öffentlichen Raum wieder erlebbar zu machen:
- Notsicherung des Gebäudes
- Denkmalgerechte Sanierung Einfriedung
- Erfassung, Sicherung und ggf. Wiederherstellung der denkmalgeschützten Parkanlage auf der Grundlage einer entsprechenden Fachplanung mit nachfolgender Zugänglichkeit für die Öffentlichkeit
- Denkmalgerechte Sanierung Dach der Villa.
Der Stadtrat nimmt ferner zur Kenntnis, dass die Stadt derzeit keine eigene Nutzungsabsicht für den Gebäudebestand hat und daher auch keine Komplettsanierung der Villa beabsichtigt. Vielmehr beabsichtigt sie, dass wie vorstehend beschrieben gesicherte und in seiner öffentlichen Erlebbarkeit wiederhergestellte Areal zu gegebener Zeit an Interessenten zu veräußern. Dabei sind sowohl die Belange des Denkmalschutzes als auch der Stadtplanung entsprechend rechtlich abzusichern.
Rede von Oliver v. Gregory im Stadtrat am 22. Mai
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,
die Stadt Radebeul erwirbt eine verfallene Villa für einen Euro, sie bemüht sich damit um den Erhalt eines seit Jahrzehnten ruinösen bedeutenden Baudenkmals. Ein Streit zwischen den Eigentümern, der Denkmalpflege und der Stadt kommt damit zu einem vermeintlich guten Ende. Was soll daran schlecht sein?
Mit dem Kauf ändert sich der Zustand der Ruine leider nicht, lediglich die Eigentümerschaft und Verantwortung für den Erhalt gehen auf die Stadt über. Der Verkauf erfolgt nicht freiwillig, sondern weil die bisherigen Eigentümer sich von einer Last trennen wollen und müssen. Wie die eingereichten Unterlagen zeigen, ist ein Sanierungsaufwand von deutlich über 7 Millionen erforderlich. Kann die Stadt sich das leisten, wenn sie kein eigenes Nutzungsinteresse an der Villa hat?
Nach dem Beschlussantrag sollen wir heute neben dem geschenkten Ankauf, der Notsicherung des Gebäudes, der Sanierung der Einfriedung, der Sanierung des Parks und der denkmalgerechten Sanierung des Daches zustimmen. Auf Nachfrage im Verwaltungs- und Finanzausschuss VFA wurden die hierfür geschätzten Kosten durch den 1. Bürgermeister mit 500.000 Euro beziffert. Jeder, der das Grundstück kennt, die Flächen sieht und etwas Ahnung von Denkmalsanierung hat, erkennt, dass das ein Scherz sein muss. Allein die Sanierung der desolaten Einfriedung wird diesen Betrag auffressen.
Den Park der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, ist sicher ein interessanter Gedanke. Wie verträgt sich aber eine öffentliche Widmung des Parks mit dem Interesse der Stadt, die Immobilie zu einem späteren Zeitpunkt wieder zu verkaufen? Wie will man eine notgesicherte Ruine ohne umgreifendes Grundstück verkaufen?
Die Eigentümer haben der Stadt eine Frist bis Ende Juli dieses Jahres gesetzt, das Kaufangebot anzunehmen. Diese Frist wäre sicher verlängerbar. Die Eigentümer sagen es deutlich, sie sehen gar keine andere Möglichkeit. Also lassen Sie uns in Ruhe ein Gutachten erstellen, mit welchem Aufwand wir den Verfall der Villa stoppen können. Meine Befürchtung ist: Wir nehmen jetzt einen „geschenkten Gaul“ und danach kommt das böse Erwachen. Ich erinnere an § 72 II der Sächsischen Gemeinde-Ordnung. Wir sind verpflichtet zu einer wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung. Also lassen Sie uns erst unsere Hausaufgaben machen: Was kosten Notsicherung, was ein Dach, was die Parksanierung? Gibt es einen Schwammbefall im Haus? Wie sieht die Statik aus?
Wir haben in dieser Legislatur bereits große Investitionsprojekte beschlossen: Sanierung der Schwimmhalle, der Bau der Oberschule Kötzschenbroda, der Hort Oberlößnitz, das neue Stadtarchiv, die Feuerwehr. Hier sprechen wir bereits über ein Investitionsvolumen von 20 Millionen Euro, die im Haushalt nicht gesichert sind. Vor diesem Hintergrund warne ich vor einem solchen trojanischen Pferd.
Wir bedauern, dass im Stadtrat keine offene Diskussion über das Für und Wider eines Ankaufs der Villa Kolbe, deren Bedingungen und Kostenfolgen möglich war. Für unsere Fraktion ist dies ein symptomatisches Beispiel dafür, wie städtische Vorlagen durch die Fraktionen CDU, AfD, Freie Wähler und FDP regelmäßig kritiklos verabschiedet werden, ohne sie auch nur zu hinterfragen, geschweige denn öffentlich zu diskutieren. Dies führt doch mit zu der wahrnehmbaren Politikverdrossenheit, wenn noch nicht einmal auf kommunaler Ebene ein öffentlicher Diskurs darüber möglich ist, wie wir mit unseren geringen Steuermitteln vernünftig umgehen.
Vorliegend hat die Stadtverwaltung ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Sie hat genügend Zeit gehabt, den Zustand der Villa und die einzuplanenden Kosten zu ermitteln. Diese Vorlage ist daher nach unserer Ansicht nicht beschlussreif.
Der wohlfeile Vorwurf, unsere Fraktion würde sich der historischen Bausubstanz der Stadt nicht annehmen, geht fehl. Etliche von uns haben privat Denkmäler erhalten und saniert. Die Villa Kolbe kann nur eine Zukunft haben, wenn sie eine Nutzungsperspektive hat. Eine solche wird von der Vorlage ausgeschlossen. Wozu dann das Ganze, greifen nach einem vermeintlichen Schnäppchen, ohne zu wissen, was wir damit anfangen wollen?! So mag ein Multimillionär handeln, der sein eigenes Geld ausgeben kann, wofür er will, aber doch keine Kommune mit unseren finanziellen Problemen, die mit dem Geld ihrer Bürger arbeitet! Dann lasst uns wenigstens vorab mit der Denkmalpflege über einen Sanierungszuschuss sprechen. Was können wir konkret von dieser Behörde erwarten, wenn die Kommune die Sanierung angeht. Oder es findet sich ein Investor, wenn Denkmalpflege und Stadt einen Sanierungszuschuss versprechen. Das wäre für die Stadt kalkulierbar.
Der Wunsch der Stadt, die Villa nach Ankauf und Notsicherung später wieder an einen Prinzen – so O-Ton 1. Bürgermeister – zu verkaufen, ist ein Märchen. Ein Märchen, weil eine auskömmliche wirtschaftliche Investition nach den uns vorliegenden Zahlen auch für die Zukunft nicht absehbar ist. Zu denken geben sollte uns die Aussage des Finanzamts, welches von Liebhaberei spricht. Ein Privater kann also den denkmalpflegerischen Mehraufwand nicht von der Steuer absetzen. Die Stadt wird deshalb auf der Villa sitzen bleiben. Dieses Märchen vom Prinzen ist reines Wunschdenken, das keine Erfüllung finden wird. Wir können doch nicht Wunschdenken zur Grundlage der heutigen Ankaufentscheidung machen, das ist fahrlässig. Damit verspielen wir das Geld und das Vertrauen der Bürgerschaft.
Radebeul ist als Wirtschafts- und Wohnstandort attraktiv, aufgrund seiner Lage, aufgrund seiner Wohn- und, ja, auch wegen seiner Denkmalslagen. Attraktiv wird Radebeul aber nur bleiben, wenn wir auch Schul- und Sportstätten erhalten und entwickeln. Die Schwimmhalle steht kurz vor dem Kollaps. Unser Nebenstraßennetz verfällt seit Jahren. Deshalb bitte ich darum: Lassen Sie uns vernünftig rechnen, was mit diesem Schnäppchen an Folgekosten auf die Stadt zu kommt, bevor wir einfach nur zugreifen. Einen weiteren Fehler wie beim Kauf des alten E-Werk können wir uns als Stadt nicht leisten. Ein Ankauf ohne Betrachtung der Folgekosten ist ein Verstoß gegen das Gebot zur sparsamen und vorausschauenden Haushaltsführung.
Wir beantragen daher zunächst, die Vorlage in den Ausschuss zurückzuverweisen, damit der Zustand des Gebäudes und ein kostenuntersetzter Fahrplan zu Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen erstellt werden kann.
Wenn darauf verzichtet werden sollte, werden wir als Fraktion Bürgerforum/Grüne/SPD dem Ankauf der Villa Kolbe nicht zustimmen.
Persönliche Erklärung zum Abstimmungsverhalten von Martin Oehmichen im Stadtrat am 22.Mai 2024:
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich möchte meine Entscheidung erläutern, warum ich dem Kauf der Kolbevilla nicht zugestimmt habe. Diese Entscheidung fiel mir nicht leicht, aber ich bin überzeugt, dass sie im besten Interesse unserer Stadt ist. Lassen Sie mich meine Gründe darlegen.
Erstens benötigen wir die finanziellen Mittel dringend für unsere Schwimmhalle. Das Schul- und Vereinsschwimmen sind gefährdet, da eine baldige Schließung droht. Schwimmunterricht ist nicht nur Freizeitgestaltung, sondern essenziell für die Sicherheit und Gesundheit unserer Kinder. Jeder Euro, den wir in den Erhalt und die Modernisierung der Schwimmhalle investieren, sichert die Zukunft dieser wichtigen Einrichtung.
Zweitens müssen wir die Sanierung unserer Schulen dringend vorantreiben. Viele Gebäude sind in einem besorgniserregenden Zustand und brauchen umfassende Modernisierung. Das Anstückeln von Evakuierungstreppen ist da keinesfalls ausreichend. Das jahrelange Schieben des Schulcampus in Altkötzschenbroda und das Jammern über fehlende Fördermittel bringt uns nicht weiter. Die Lernbedingungen unserer Kinder und die Arbeitsbedingungen unserer Lehrer sind von größter Bedeutung. Eine Investition in unsere Schulen ist eine Investition in die Zukunft unserer Kinder und unserer Stadt.
Drittens möchte ich unsere Stadt familienfreundlicher gestalten. Dazu gehören sichere Fuß- und Radwege, eine umweltfreundliche Stadtgestaltung und bezahlbarer Wohnraum und weitere Maßnahmen, die das tägliche Leben erleichtern und bereichern. Der Stadtrat ist eigentlich vom Bau eines dritten Sportplatzes überzeugt, doch das Geld fehlt beziehungsweise wird lieber in die das Empfangsgebäude vom Karl-May-Museum oder eben die Kolbevilla investiert. Mit den begrenzten finanziellen Mitteln müssen wir eigentlich kluge und zukunftsorientierte Entscheidungen treffen.
Aus diesen und weiteren Gründen habe ich mich entschieden, dem Kauf der Kolbevilla nicht zuzustimmen. Wir müssen unser Geld weiser investieren, um den größtmöglichen Nutzen für die Menschen unserer Stadt zu erzielen.
Pressemitteilung zum Thema
Bürgerforum/Grüne/SPD gegen reinen Schnäppchenkauf der Villa Kolbe
Die Absicht der Radebeuler Stadtverwaltung, die ruinöse „Villa Kolbe“ zu übernehmen, stößt bei der im Stadtrat vertretenen Fraktion Bürgerforum/Grüne/SPD auf große Skepsis. „Natürlich ist es wünschenswert die Villa Kolbe für Radebeul zu erhalten. Allerdings wird dies ohne Nutzungskonzept ein einziges großes Groschengrab werden“, fürchtet die Fraktionsvorsitzende Eva Oehmichen, „denn die Stadt wird darauf sitzen bleiben und damit in der Zukunft immense Lasten zu tragen haben.“ Wenn bereits das Finanzamt einem privaten Investor ins Stammbuch schreibt, dass eine denkmalgerechte Sanierung wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit reine Liebhaberei sei, „wieso soll das dann bei einer Kommune, die das Geld der Steuerzahler ausgibt, besser laufen?“, fragt sie rhetorisch.
„Günstiger als mit dem von den jetzigen Eigentümern errechneten Bedarf von mindestens sechs Millionen Euro wird es auch der Steuerzahler nicht hinbekommen“, mutmaßt ihr Fraktionskollege Oliver von Gregory. Ihn treibt die Aussage in der Beschlussvorlage um, dass die Stadt kein eigenes Nutzungsinteresse an der Villa hat, nur eine Notsicherung vornehmen und die Villa später wieder verkaufen will. „So mag ein Multimillionär handeln, aber doch keine Kommune, die nach der Sächsischen Gemeindeordnung verpflichtet ist, wirtschaftlich und sparsam mit dem ihr anvertrauten Steuergeld umzugehen.“
Daher fordert von Gregory im Stadtrat, die Zeit zu nutzen und gutachterlich festzustellen, womit die Stadt Radebeul rechnen muss, wenn sie die Villa nur notdürftig repariert, um den weiteren Verfall zu stoppen. Auch der Denkmalpflege solle auf den Zahn gefühlt werden, was konkret an Zuschuss zu erwarten sei, wenn die Stadt die Sanierung angeht. Ein einfaches Greifen nach dem Schnäppchen, ohne zu wissen, was es den Radebeuler Steuerzahlern in der Folge kosten kann, sei grob fahrlässig und widerspreche dem Gebot der sparsamen und vorausschauenden Haushaltsführung. „Einen weiteren Fehler wie beim Kauf des alten E-Werk im Lößnitzgrund kann sich die Stadt nicht leisten, nicht angesichts jener 20 Millionen Euro, die im Haushalt nicht gesichert sind für die dringend erforderliche Sanierung der Schwimmhalle, den Bau der Oberschule Kötzschenbroda, den Hort Oberlößnitz oder das neue Stadtarchiv“, sagt von Gregory.
Hintergrund
Die Zinzendorf 16 GbR, im Besitz von Michael Walter, Ulrich Saniter und Peter A. Jäger ist Eigentümer der Villa Kolbe seit vielen Jahren. In einem Schreiben an die Stadt vom 1. März 2024 bezeichnen die drei ihre Bemühungen als „endgültig gescheitert“, ihr Projekt zu realisieren. Es beinhaltete die denkmalgerechte Sanierung der Villa sowie einen Neubau, um das Projekt rentierlich zu machen. Doch der Denkmalschutz schloss einen Neubau aus, es wurde jahrelang geklagt und gegen geklagt. Nach verschiedenen Verhandlungen mit anderen Investoren ziehen sie in einem Schreiben an die Stadtverwaltung als Fazit: „Unter den gegebenen Umständen ist selbst bei großzügiger finanzieller Unterstützung durch Denkmalgelder eine Wirtschaftlichkeit ausgeschlossen.“ An anderer Stelle geben sie ihrer Enttäuschung Ausdruck:
Nicht zuletzt verneine das Finanzamt Dresden eine Gewinnerzielungsabsicht und gehe von Liebhaberei aus. Dies schließt laut Eigentümer eine Bankenfinanzierung aus. Deshalb sehen sie „nur die Möglichkeit, das Grundstück der Stadt Radebeul oder dem Land Sachsen zu schenken.“ Rund zwei Millionen Euro Verlust würden sie abschreiben.